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Pfarrkirche Mariä Himmelfahrt Prien, 17.Januar 2023

Liebe Angelika!

Der seltsamste, der traurigste Text, den ich je für dich geschrieben habe …. Fassungslos, entsetzt. Und auf dünnem Eis!   

“Na ja, jetzt bin ich wirklich ein bisschen auf seine Buchstaben gespannt!” denkst du dir. Na ja. Also fang’ ich an.

In Ashville auf dem Grabstein von Thomas Wolfe, einem Lieblingsschriftsteller von uns beiden, steht:

Death - the last voyage, the longest, the best. - Die letzte Reise, die längste, die beste.

Angelika, liebe Angelika. Die letzte Reise, die längste, die beste. Und ohne uns. Allein. Du Reisende. Dein Leben lang bist du herumgeschweift. Höhen, Tiefen, Weiten.

Keine Scheu vor unbekanntem, unsicherem Terrain zwischen Ideen, Reimen und Melodien hast du Dur und Moll erfahren. Hast Welten entdeckt, nahe und ferne Hast sie dir erobert. Unermüdlich durch sie gewandert. Durch Herzen, vertraute, fremde. Durch dein eigenes.

Mit Ausdauer und Geduld, mit Leidenschaft und Neugier. Draufgängerisch, verwegen. Vor allem auch mit Humor und Ironie und Optimismus. Zupackend.

Und so voll war dein Leben. Angelika, du Kämpfende. Bis zuletzt. Bis zuletzt. Kein Verzagen, kein Zweifel, keine Bitterkeit. Bis zuletzt. Beherzt, zuversichtlich.

Mit welcher Ruhe du dich auf den Weg gemacht hast!

Na ja, ein bisschen weinen sollten wir schon an ihrem Grab, meinte sie vor Jahren bei einem Glas Bacchus in Sommerhausen, aber auch schmunzeln, bitte, viel schmunzeln. Eine Idee Fröhlichkeit möcht‘ schon sein.

Fröhlichkeit - mit ihr bist du dem Unsinn des Lebens mit Sinn entgegengetreten. Ich durfte mitmachen. Spielend, singend, tanzend! Lustig. Listig. Nachdenklich. Traurig.

Wie viele hast du damit glücklich gemacht.

Einige von uns hast du mitgenommen auf deine Expeditionen in deine Bezirke die inneren und die äußeren, die privaten und die beruflichen, hast teilnehmen lassen an deinen Rätseln und deinen Antworten. Und da war auch Schüchternheit und Verletzlichkeit. Na ja.

Angelikas „Na, ja!“ Wie habe ich es geliebt! Wie wird‘ ich es vermissen!

The last voyage, the longest, the best. - Ohne uns. Allein.

Und deine Berge. „Na ja, das Bergsteigen ist so schön, auch wenn’s die Berge oft einem schwer machen. – Aber wenn’st droben bist und runterschaust, magst dich bloß niederknien“, meinte sie.

Das war Angelikas innige Frömmigkeit.

Na ja, Gott! Gott? Irgendwie schon, hat sie gemeint.

„Ich glaube an die Berge, die Bäume, die Wärme, die Kälte, den Schnee, an den Max, an den Wolfgang, an dich, an mich, an viele …. na ja …. Gott ….“

Wenn es mir schlecht ging: Gräm dich nicht. Iss‘ noch etwas vom Presssack, dem weißen. Dann geht’s dir gleich besser.

Das wird schon wieder, hast vielen von uns gesagt. Auch mir, auch dir. Danke, Angelika, für die vielen Scheiben Presssack und dem süßen Senf drauf.

Auch das war deine Frömmigkeit. Dein Glauben.

Und da noch eines deiner Lieblingslieder. Fast ein Liebeslied. Oder doch eines aus Deinem Gesangbuch?  

Kennst du das Land
mit zartem Geäst von Mangroven,
Passionfrucht, Mandelbaum,
Bouganville rotviolett
und Mangoblütenblättertraum,
Regenwald,
Kokospalmen, der Duft von Nelken,
Vanille, Muskat, Tamarin?
Sansibar, du meine Insel!
Dahin werd‘ ich zieh‘n.
Sansibar, und dauert es noch,
Sansibar, ich sehe dich doch.
Sansibar, so warm und bunt,
Sansibar, mein letzter Grund!

Und jetzt hast du dich auf den Weg gemacht. Nach deinem Sansibar.

Ein Adagio von Mahler im Gepäck, einen Reim von Rilke und von Andre Heller das Abendland. Den Frühlingsstimmenwalzer. Einen Tango von Piazolla. Es ist das Licht, es ist der Wind und es ist der Fluss, was von dir bleibt … Die traurigen Töne aus Miles Davis‘ Trompete. Und Didos „Remember me.“

Und nicht vergessen: die bunten Lampen von Drnci, die afrikanischen Zebras und Costaricas Papageien. Und auch die roten Schuhe. Deine roten Schuhe. Vergiss sie nicht. - Ich vergesse sie nicht. „Remember me.“

Ihr letztes Programm sollte den Titel Route Sixty Six bekommen.

If you ever plan to motor west,
Travel my way.

Du planst eine Fahrt Richtung Westen?
Mach's wie ich, nimm den Highway am besten.
Hol dir die Kicks auf Route Sixty Six.

Was zurückbleibt: ein Loch. Ein Loch, das wir füllen werden. Mit Erinnerungen, Geschichten, Gedanken, Gefühlen. Mit Dankbarkeit. Da wird das Loch nicht ausreichen. Daraus wird ein Berg wachsen.

The last voyage, the longest, the best.

Angelikas letzte Worte zu Max: „Na, ja …“. – „Na, ja ...“. Und hat die Bettdecke zu sich hochgezogen.

Aber so leicht machen wir es dir nicht, liebe Angelika. Niemand geht so ganz. Irgendwas von einem bleibt hier.

Sie lebt weiter. Einfach weiter. Ohne Sentimentalität. Kraftvoll, zärtlich, innig. Fröhlich. In uns. In dir, Max, in dir, Wolfgang, Gabi, in mir, in uns allen.

Aufstehen! Angelikas Stimmungslied aus ihrem letzten Programm.
Geht so.

Hingefallen bin ich schon früh.
Aber liegen geblieben, das bin ich nie.
Wenn’s Leben mal ein wenig holperte
Oder man ins Abseits stolperte.
Hat sich die Seele schwer verstaucht,
dass sie vor lauter Kummer raucht.
Und sie vor lauter Sorgen stinkt,
und traurig durch das Leben hinkt.
Nicht weiß, was sie noch machen kann.
Ja, was machen wir dann? Was machen wir dann?

Hinfallen, Aufstehen, Mund abputzen.
Weitermachen.
Hilft ja nix. Muss weitergeh’n.
Aufsteh’n und dann weiterseh’n!

Klar, könnt‘ ich jammern, könnt‘ ich heulen
Und pflegen meine Trauerbeulen.
Doch lass ich meinen Körper klingen
Aus jeder Faser soll es singen.
Und schlägt mir mal die letzte Stunde
In meiner allerletzten Runde,
wo niemand mehr weiß, was er machen kann.
Ja, was machen wir dann. Was machen wir dann?

The last voyage, the longest, the best.
Ich vermisse dich, Angelika. Ich danke dir. Ich liebe dich.

Gute Nacht, Angelika!
Und Engelschöre singen dich zur Ruh.